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Sunday, 3. December 2023 | Marie Jonietz

Forschungsreise nach Irland

Irish Pubs, Whiskey und Guinness kommen vielen Menschen zuerst in den Sinn, wenn sie an Irland denken. Dabei ist die Grüne Insel nicht nur für ihre lebhafte Pubkultur bekannt, sondern hat auch landschaftlich einiges zu bieten. Dramatische Steilklippen, sattgrüne Wiesen und die stürmische See machen Irland zu einem beliebten Reiseziel für Tourismus aus der ganzen Welt.

Auch ich habe mich im September 2023 auf den Weg nach Irland gemacht – allerdings mit einem etwas anderem Fokus. Ziel meiner Reise war die National Library of Irleand, eine wunderschöne Bibliothek aus dem 19. Jahrhundert. Mitten im Herzen Dublins gelegen, beinhaltet die Bibliothek neben einschlägiger Sekundärliteratur zu meinem Dissertationsthema „Keltizismus als romantisches Projekt – das Irish Revival um 1900“ auch unveröffentlichte Manuskripte, Zeitungsartikel, Briefwechsel, Tagebücher etc. von historischen Persönlichkeiten, die ich in meiner Arbeit in Rahmen einer historischen Netzwerkanalyse untersuche.

Für mich war schnell klar, dass ein Besuch der NLI mir wertvolle Einblicke in die irische Geschichte bieten würde, die mir in Jena verschlossen blieben. Glücklicherweise befürwortete das Graduiertenkolleg meinen Forschungsaufenthalt in Irland, sodass ich meine Reise nach Dublin im September antreten konnte.

Mit etwas Glück fand ich eine Unterkunft in der Innenstadt Dublins, von wo aus die National Library fußläufig zu erreichen war. Nachdem ich mich um ein Reader’s Ticket beworben hatte, erhielt ich Zugriff auf die Schätze der Bibliothek. Ich sichtete so viele Quellen wie möglich und fertigte, sofern es die Urheberrechte zuließen, Fotografien der Schriftstücke an.

Da ich Keltizismus nicht nur in Hinblick auf seine Bedeutung für die Bildung einer irischen Nationalidentität untersuche, sondern mich auch dessen transnationale Dimension interessiert, lag ein Schwerpunkt meiner Recherche auf Unterlagen zum Pan-Keltizismus, einer Bewegung, die um 1900 aus dem Gedankengut der Romantik hervorging und sich der Förderung von keltischem Nationalismus verschrieb. Eine Schlüsselfigur der pan-keltizistischen Bewegung in Irland war der Anglo-Ire Lord Castletown, der eine tragende Rolle in der Gründung der Celtic Association spielte. In den „Lord Castletown Papers” der NLI stieß ich auf einige Unterlagen und Korrespondenzen, die die Organisation des ersten Pan-Celtic Congress 1901 in Dublin belegen. Zudem gibt es handschriftliche Zeichnungen, die von der Planung eines Steinkreises für die Gorsedd-Zeremonie beim Eisteddfod in Wales zeugen. Das Eisteddfod ist ein musikalischer Bardenwettstreit, der im 18. Jahrhundert im Zuge der Romantik wiederbelebt wurde. Bei der Gorsedd-Zeremonie handelt es sich nicht um ein altertümliches keltisches Ritual – sie wurde vom Walisischen Romantiker Edward Williams, besser bekannt als Iolo Morganwg, erfunden und 1819 erstmals in die Festlichkeiten des Eisteddfod einbezogen. Anhand der gefundenen Unterlagen lässt sich zeigen, wie keltische und pan-keltische Identität auf der Basis romantischer Ideen im 18. und 19. Jahrhundert konstruiert wurde.

Unterbrochen wurde meine konzentrierte Arbeit nur durch das Wochenende, an dem die Lesesäle der Bibliothek geschlossen waren. Die freie Zeit nutzte ich, um nach Howth zu fahren. Howth ist ein kleiner Küstenort in der Nähe von Dublin. Dort wohnte der irische Literaturnobelpreisträger William Butler Yeats für ein paare Jahre seiner Jugend. Das Essay „Village Ghosts“ aus seiner berühmten Textsammlung „The Celtic Twilight“ spielt in diesem Ort. Trotz irischem Regenwetter und Sturm unternahm ich eine Klippenwanderung an der malerischen Küste und begab mich auf die Spuren von Yeats. Je eine Plakette markierte sein ehemaliges Wohnhaus und eine Straße, die er in „Village Ghosts“ als verwunschenen „Faeries Path“ beschrieben hat. Die meisten Tourist:innen zogen daran vorüber, ohne sich der Bedeutung der historischen Plätze bewusst zu sein, aber ich freute mich sehr, die Orte gefunden zu haben.

Sobald die Bibliothek wieder geöffnet hatte, setzte ich meine Arbeit in Dublin fort. Dem Bibliothekspersonal war ich inzwischen wohl bekannt... Mit neuer Inspiration und vielen spannenden Quellen im Gepäck kehrte ich schließlich nach Jena zurück.

Klippenwanderung in Howth

Eingang der National Library of Irleland

Erster Pan-Celtic Congress in Dublin, 1901

Planung eines Steinkreises für die Gorsedd-Zeremonie

Tägliche Arbeit im Reading Room

Eingang zum Wohnhaus des Dichters William Butler Yeats

Der „Faeries Path“ aus „Village Ghosts“ von William Butler Yeats