Blog

Mittwoch, 11. Mai 2022 | Alexander Stöger|Romy Langeheine

GRK "Modell Romantik": Vor- und Rückschau |Mai-Rätsel

Nach über sechs Jahren Laufzeit möchten wir in den folgenden Monaten nicht nur über Kommendes informieren, sondern auch immer wieder einmal Rückschau halten. Am Kolleg sind in den vergangenen Jahren Projekte verschiedener Art entstanden, die wir dafür nutzen.

 

* * * * *

Hier kommt nun das Rätsel für den Mai. Um welches Projekt der 1. Kohorte könnte es sich handeln?

Auflösung des April-Rätsels: Visualisiert wurde das Projekt "Neoromantik der Jahrhundertwende. Transformationen, Impulse und Textverfahren eines populären Phänomens" von Raphael Stübe.

Bilderläuterung: Um den Weltenbaum Yggdrasil aus der germanischen Mythologie schlängelt sich die Midgardschlange Jörmungandr und nagt an den Wurzeln, während in der Baumkrone die blaue Blume episodenhaft verwelkt. Beliebte Motive der Literatur Ende des 19. Jahrhunderts wachsen zu einem scheinbar natürlichen Bild zusammen. Die sich scheidenden Äste des Baumes zeigen die beiden Wege, die die Romantikrezeption um 1900 einnahm, die weiteren, verflochtenen Zweige deuten die Komplexität und das organische Wachstum der Romantikrezeption der Zeit an.

* * * * *

Alexander Stöger, Doktorand der 1. Kohorte, hat ab Januar 2017 jeden Monat ein Bild kreiert, das jeweils eines der Forschungsprojekte seiner Kommiliton:innen illustriert. Die Bilder tragen die Namen ihres Entstehungsmonats - so ist ein kleines Rätsel entstanden, denn nicht immer ist es auf den ersten Blick ersichtlich, um welches Projekt es sich handelt. Wir schauen anhand der Bilder zurück auf die ersten Projekte am Kolleg, indem wir jeden Monat ein Bild in diesem Blog veröffentlichen. Raten Sie mit! Eine Liste der Projekttitel finden Sie hier. Die Auflösung gibt es am Monatsende.

Auch auf unserem Twitter-Account @ModellRomantik können Sie mitraten.

Zur Entstehungsgeschichte der Bilder schreibt Alexander Stöger selbst:

"Es ist eine Sache, sich über Jahre hinweg analytisch mit einem Forschungsthema zu beschäftigen und die Resultate in einer Monografie festzuhalten. Aber eine ganz andere – und sicherlich ungewöhnlichere – die Eindrücke in einem Bild zu verarbeiten. In der Zusammenarbeit und räumlichen Ko-Existenz Büro an Büro im Graduiertenkolleg haben mich die Forschungsprojekte meiner 13 Kolleg:innen über die Zeit auf ganz eigene Art ebenso fasziniert wie mein eigenes. Ich hatte den Luxus, nicht die schwere Arbeit machen zu müssen, die Informationen zusammenzutragen, sondern in Vorträgen, Flurgesprächen, Diskussionen und dem einen oder anderen Verzweiflungs-Chat regelmäßig nicht nur über soziologische, theologische, literaturwissenschaftliche, computerlinguistische und musikwissenschaftliche Themen zu hören, sondern auch an ihrem Entdeckungsprozess teilzuhaben.
Allerdings ist es schwer, den Kopf nach einem Arbeitstag einfach abzuschalten oder sich gänzlich anderen Dingen zu widmen, wenn man mitten in der Promotion steckt. Vielleicht hatte ich auch deswegen irgendwann das Bedürfnis, über meine eigene Arbeit und die der anderen nicht wissenschaftlich-ernst zu denken, sondern mich in freien Stunden auch kreativ und ohne wissenschaftlichen Anspruch damit zu beschäftigen. Oder vielleicht lag es auch an all den Romantikern. Jedenfalls habe ich im zweiten Jahr unserer Projektlaufzeit damit begonnen, die sogenannten Monatsbilder zu erstellen und sie jeden Anfang des Monats (mal mehr und mal weniger pünktlich) an der langen Wand unseres Bürokorridors aufzuhängen.
Dabei ging es nicht um künstlerische Finesse, ich wollte etwas kreativen Ausgleich. So war jedes Bild vor allem ein technisches Experiment: Stencils folgten auf Aquarell und Bleistiftzeichnung, vieles davon hatte ich zuvor noch nie benutzt – ein paar Resultate waren geradezu abenteuerlich.
Als das Jahr zu Ende war, wollte ich die inzwischen etablierte Gewohnheit aber nicht aufgeben, jeden Monat etwas Vorzeigbares ‚produziert‘ zu haben. Sicherlich stand das auch im Kontrast zum langsamen, komplexen Prozess des Dissertationsschreibens. Wenn man auf ein akademisches Ideal wie ein Buch am Ende von drei Jahren hinarbeitet, kommt man auf diesem raum- und zeitlosen Ozean des Forschens leicht ins Schwimmen. Ein Bild, das am Ende des Monats an der Wand hängt, bietet da einen angenehmen Anker.
So begann ich im Januar 2017, das erste Projekt meiner Kommiliton:innen in einem abstrakten Bild zu verarbeiten. Ich habe dabei die Tradition beibehalten, jeden Monat eine neue Technik zu verwenden. Allerdings entstanden alle Bilder digital, ehe ich sie im Großformat ausdrucken ließ. Das erlaubte mir mehr Flexibilität und – ich muss es zugeben – Bequemlichkeit, da ich auch sonst mehr digital als analog arbeite. Außerdem konnten dadurch die Monatsbilder selbst dann pünktlich hängen, als ich für meine Forschung in Großbritannien war (danke an die Kolleg:innen, die es möglich gemacht haben!). An der langen Korridorwand wuchs so eine kleine Galerie, die, wie ich hoffe, unsere Projekte räumlich und visuell noch mehr in der Bachstraße und im Kolleg verortete.
Die 14 Bilder sind damit in Serie entstanden, aber ich hatte selten konkrete Pläne für mehr als das Bild, an dem ich gerade gearbeitet habe. Welches Projekt als nächstes verbildert wurde, hing oft damit zusammen, wo mich gerade eine Idee fesselte oder eine Technik ansprach, die zum Inhalt passte. Von Anfang an war aber klar, dass ich eine abstrakte, Symbol lastige Umsetzung wollte. Da ich dazu neige, dem Realismus hinterherzujagen, waren die Monatsbilder eine willkommene Herausforderung, 14 Stile zu entwickeln, die mir diese Einseitigkeit versagen. Es wäre bei den Forschungsthemen, die mir als Grundlage dienten, aber auch keine realistische Umsetzung möglich gewesen. Oder wenn, dann wäre sie wohl recht arm ausgefallen. Wie könnte ein Portrait von E.T.A. Hoffmann für das Epiphanieerlebnis in der Romantik und der Moderne einstehen? Oder ein toter Frosch für die Bemühungen junger Experimentatoren um 1800, die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu erregen? Zugegeben, die Frösche wären adäquat gewesen. — Aber es hätte mir sicherlich weniger Spaß gemacht. Ein großer Reiz lag für mich darin, die Eindrücke, die ich von den Projekten meiner Kolleg:innen bekam, in Andeutungen zu verarbeiten.
Und Eindrücke waren es, wie ich betonen will. Bedenkt man, dass die ersten Bilder mitten in der Findungs- und Recherchephase entstanden, dass ich – wie erwähnt – meine Eindrücke aus dem zusammensammelte, was man mir erzählte und dass ich gelegentlich kreative Ideen und Techniken über die Inhalte stellte, treffen einige Bilder ihre Ursprungsthemen sicherlich mehr als andere. Außerdem musste ich besonders gegen Ende des Projektes diskreter lauschen als noch am Anfang. Denn die Bilder erschienen nicht nur wie von Zauberhand jeden Monat im Flur (ich weiß aus ausgiebigen Feldstudien, dass die Wände in der Bachstraße sehr widerstandsfähig gegenüber Reißzwecken sind), sie kamen auch ohne Titel und Erklärung. Mit regelmäßiger Vorfreude ließ ich meine Kolleg:innen erraten, welches Projekt diesen Monat zu sehen war. Um den Ratespaß nicht zu verderben, musste ich also strenge Geheimhaltung wahren. Ich hoffe sehr, sie hatten so viel Freude am Raten wie ich dabei, ihnen zuzusehen – auch wenn mir bewusst ist, dass man als Ratende:r immer eine undankbare Position hat.
Nach 14 Monaten kam das Projekt zu einem Ende, pünktlich zum Beginn der heißen Schreibphase. Es war eine großartige Erfahrung, die mein Verständnis für die Inhalte unserer Forschung auf eine ganz besondere Weise herausgefordert hat. Für mich ging die Zeit am Graduiertenkolleg damit aber nicht nur mit einer Dissertation zu Ende, sondern auch mit einer Sammlung von 14 Bildern, die meine Zeit und meine Eindrücke nochmal auf eine andere, bunte, freie und kreative Weise widerspiegeln."