Kollegiat:innen 3. Kohorte
Sigmund Jakob-Michael Stephan, M.A.
sigmund.jakob-michael.stephan@uni-jena.de
Curriculum Vitae
2012-2017 B. A. Studium der Deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Freiburg
2015-2016 Erasmusstudium an der Universität Lettlands in Riga
2017-2019 M.A. Studium von Intercultural German Studium an der Universität Mannheim und Waterloo (Ontario)
2019-2021 PhD Studium in German Studies an der Universität Waterloo (Ontario)
seit 2021 Kollegiat am Graduiertenkolleg „Modell Romantik“
Dissertationsprojekt
Modellierung einer Romantischen Komik
Melancholie, Sehnsucht und Verzweiflung sind Begriffe, die die historische Romantik üblicherweise begleiten. Diesen Assoziationen steht die Zentralität gegenüber, die insbesondere die Jenaer Romantiker:innen der Komödie und der mit ihr verbundenen Stimmungsqualität, dem Komischen, in ihrem sozio-ästhetischen Projekt einräumen. Friedrich Schlegel weist in einem seiner ersten Aufsätze Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie [1794] das Komische als Desiderat der Romantik aus: „Nichts ist seltener als eine komische Komödie. Das komische Genie ist nicht mehr frei, es schämt sich seiner Fröhlichkeit.“ Nach F. Schlegels Argument kann in einer modernen unfreien Gesellschaft Komiker:innen ihre Heiterkeit nicht mehr entfalten. Das Komische ist damit für die Romantik als ein Ort, an dem subjektive Autonomie erfahrbar und realisiert wird.
Ausgehend von dieser Aufwertung des Komischen zeigt mein Projekt auf, dass sich der historischen Romantik eine spezifische Form der Komik herausbildet. Das hohe Abstraktionsniveau der Modellheuristik erlaubt es mir, die Schnittmengen zwischen den heterogenen Komiktheorien und -praktiken literarischer Epochen systematisch zu erfassen. Mit Johann Georg Sulzers und Immanuel Kants Lachtheorien und Christoph Martin Wielands Don Sylvio [1764] und Neuen Amadis [1771] gewinne ich Komikmodelle der Aufklärung, gegenüber denen die Komik der historischen Romantik als eigenständiges ästhetisches Phänomen konturiert werden kann. An den Schnittmengen den Komödientheorien der Brüder Schlegel und Jean Pauls Humorkonzeption entwickele ich ein Modell des „romantischen Komischen“ (Jean Paul), das an literarischen Fallbeispielen wie Ludwig Tiecks Die sieben Weiber des Blaubart [1797] und E. T. A. Hoffmanns Die Königsbraut [1821] erprobt, ergänzt und erweitert wird. Mit einem abschließenden Blick auf post-romantische Komikkonstellationen arbeite ich den Problemhorizont heraus, den das Romantische-Komischen eröffnet hat.
Das Romantisch-Komische entsteht in Texten, die die Rezipient:innen kognitiv überfordern und emotional desorientieren, ohne dabei den Modus des literarischen Spiels zu sprengen. Es zielt nicht auf die Vermittlung semantischer Inhalte, sondern auf die Erzeugung einer heiteren und ausgelassenen Stimmung, die als Praxis einer heiteren subjektiven Kontingenzbewältigung interpretiert werden kann. Das Romantisch-Komische intendiert eine ästhetische Erfahrung maximaler Autonomie zu ermöglichen, die eine temporäre Distanzierung von allen Restriktionen, seien sie sozialer oder begrifflicher Art, erlaubt. Es unterscheidet sich darin von instrumentellen Komikmodellen der Spätaufklärung, die das Komische als Mittel zur moralischen Besserung oder als therapeutischen Stimmungsaufheller auffassen. Indes wirkt das Romantisch-Komische in autonomieästhetischen Traditionen der Moderne, der Postmoderne und unserer heteronomieästhetischen Gegenwart fort. Bis heute wird der Komikdiskurs von einer Problemstellung bestimmt, die aus der postromantischen Kritik am Romantisch-Komischen erwuchs: Wie kann eine radikale Spielkomik gesellschaftliche Relevanz entfalten kann, ohne hinter Positionen der Aufklärung und Romantik zurückzufallen?
Publikationen
- „Simulierte Aleatorik als Verfahren des Romantisch-Komischen.“ Literarische Aleatorik Zur Form- und Rezeptionspoetik von Zufallstexten, Hg. Dana Steglich u. Jana Vijayakumaran, in Vorbereitung.
- „Warum zieht sich Peter Lebrecht aufs Land zurück? Das Dorf als Startpunkt der Romantik.“ Zeitschrift für Germanistik, Bd. 36, no. 3, 2024, S. 547-562, https://doi.org/10.3726/92175_547.
- „Warum verkörpert Zerbino das Romantisch-Komische?: Und was ist das Romantisch-Komische?.” Modell Romantik: Variation - Reichweite - Aktualität, 2023, doi.org/10.22032/DBT.59080.
- „Rezension von Heinrich Detering: Menschen im Weltgarten.“ Focus on German Studies, Bd. 28, 2021, https://doi.org/10.34314/FOGS2021.00001
- „The Early Romantic Comedy of Aesthetic Disobedience.” Oxford German Studies, Bd. 50, no. 3, 2021, S. 350 – 364, https://doi.org/10.1080/00787191.2021.1958573
- „Das Fundament der Einfühlungsästhetik: Smiths und Herders Rhetorik.“ Narthex: Heft für radikales Denken, Bd. 5, 2019, S. 30-35
- „Helene (Heese) Toews (1893-1983). A Mennonite Woman’s Story About Doubt and Leadership.” Mennonite Ontario History, Bd. 3, no.1, 2019, S. 4-7, 2019.
Vorträge
- „E.T.A. Hoffmanns ‚Königsbraut‘ als Modell Reiner Komik.“ Hoffmanns Novellistik, Mannheim, Mannheim, 20.10.2023.
- „The Early-Romantic (Re)invention of the ‘Aleatoric Comical’.” Chaos, Unverbundenheit, Kombination. Aleatorische (Nicht-)Formen und ihre Rezeption, Antwerpen, 17.3.2023.
- „Warum zieht sich Peter Lebrecht auf Land zurück? Das Rurale in Tiecks Modellierung humoristisch-romantischer Autorschaft.“ Workshop Rurale Romantik, Berlin, 2.2.2023.
- „The Birth from Early Romanticism from Incurable Schwärmerei.” 46. Jährliche Konferenz der German Studies Association, Houston, 18.9.2022.
- „Towards a Social Theory of The Comical: Romantic Ironism.” PhD Conference on Romantic Philosophy, Aarhus, 2.4.2022.
- „The Ecopoetics of Uexküll’s Umweltlehre.”45. Jährliche Konferenz der German Studies Association, Indianapolis, 2.10.2021
- „The Decolonizing Dialogue between Garlieb Helwig Merkel and Early Latvian Nationalists.” Jährliche Konferenz der Canadian Association of University Teachers of German, Edmonton, 31.5. 2021.
- „When Species Meet and Talk at the Fringe.” Animal/Language: An Interdisciplinary Conference. Texas Tech University, Lubbock, 23.3.2019