Kollegiat:innen 3. Kohorte
Dr. Karl Tetzlaff (assoz.)
MLU Halle-Wittenberg
Institut für Systematische Theologie und Praktische Theologie und Religionswissenschaft
Franckeplatz 1/30
06099 Halle/Saale
karl.tetzlaff@theologie.uni-halle.de
Website
Curriculum Vitae
10/2008–1/2016 Studium der Evangelischen Theologie an der Hum-boldt-Universität zu Berlin, an der Karls-Universität Prag und an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
01/2012–02/2016 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Systematische Theologie/Dogmatik an der Humboldt-Universität zu Berlin
04/2016–09/2017 Projektkoordinator Kirchentag auf dem Weg Jena/Weimar beim Reformationsjubiläum 2017 e.V., Wittenberg
07/2018–01/2022 Promotion im Fach Systematische Theologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Erstbetreuer: Prof. Dr. Jörg Dierken; Zweitbetreuer: Prof. Dr. Notger Slenczka); Prädikat: Summa cum laude
seit 09/2021 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rahmen des DFG-Langfristvorhabens „Theologische Ethik als Kulturtheorie. Hybridedition von F.D.E. Schleiermachers Vorlesungen über Christliche Sittenlehre und ihre historische und systematische Erschließung“Lehrstuhl für Systematische Theologie/Ethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
04/2023 Dorothea-Erxleben-Preis der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2023 für die beste Promo-tion aus dem Bereich der Geisteswissenschaften
seit 07/2023 assoziierter Postdoktorand am Graduiertenkolleg "Modell Romantik"
Post-Doc-Projekt
Mein Post-Doc-Projekt trägt den Arbeitstitel „Kulturtheologie unter romantischen Vorzeichen. Historische Kontexte und Aktualitätspotenziale von Friedrich Schleiermachers Christlicher Sittenlehre“. Schleiermacher geht es in dieser seiner nur in Form von Manuskripten und Vorlesungsnachschriften zugänglichen theologischen Ethik darum, in christlich-religiöser Perspekti-ve „den Zusammenhang aller Lebensverhältnisse zur Anschauung zu bringen“. Für dieses Ganze der gesellschaftlichen Sphäre steht bei ihm der Begriff der Kultur, weshalb seine theologische Ethik als eine Kulturtheologie bezeichnet werden kann. Den in ihr erhobenen Ganzheitsanspruch formuliert Schleiermacher inmitten der sogenannten „Sattelzeit der Moderne“, in der sich tiefgreifende gesellschaftliche Trennungen und Differenzierungen vollziehen. Sein Umgang mit diesen um 1800 forcierten Modernisierungsprozessen ist nach meinem Dafürhalten stark durch (früh-)romantische Konzeptionen geprägt, die das Festhalten an Einheit und Totalität im Sozialen mit einer gleichzeitigen Anerkennung jener Trennungen und Differenzierungen produktiv zu verbinden vermochten.
Es sind näherhin drei Problembereiche, die ich vor diesem Hintergrund in meinem Projekt fo-kussiere: Es geht erstens um das um 1800 vielfach diagnostizierte Problem des gesellschaftli-chen Einheitsverlusts durch Differenzierung, das Schleiermachers theologische Ethik vor allem anhand der Frage bearbeitet, inwiefern die christliche Religion dennoch weiterhin relevant für das Handeln in nicht primär religiösen Gesellschaftssphären sein kann. Zweitens thematisiere ich das von Schleiermacher traktierte Problem eines im Übergang zur bürgerlichen Arbeitsge-sellschaft zunehmenden Übergewichts zweckgerichteter Handlungsformen, die er mit einem Plädoyer für u.a. in Religion und Kunst beheimatete mußevollen Praktiken auszugleichen ver-sucht. Drittens geht es um das im Nachgang der Französischen Revolution neu zu bestimmen-de Verhältnis von Individuum und Gesellschaft bzw. Individuellem und Allgemeinem, für dessen wechselseitig förderliche Kultivierung Schleiermacher der Religion ebenfalls Rele-vanzpotenziale zuschreibt.
Der in diesen drei Bezügen unter romantischen Vorzeichen stehende Umgang, den Schleiermacher in der Christlichen Sitte mit den Trennungen und Differenzierungen der Moderne pflegt, ist das zentrale Thema meiner Arbeit. Ich fokussiere dabei einerseits historische Ent-wicklungen und Debatten, vor deren Hintergrund Schleiermachers diesbezügliche Position sich profiliert. Andererseits arbeite ich die Aktualitätspotenziale seines romantisch imprägnierten Ansatzes heraus, nach denen zu suchen schon von daher naheliegt, dass die um 1800 an-drängende Herausforderung einer sich in unterschiedliche Funktionssphären differenzierenden Gesellschaft bis zum heutigen Tage unabgegoltene Problemstellungen mit sich bringt. Das wird an einer Reihe vielbeachteter soziologischer Zeitdiagnosen aus jüngerer Zeit deutlich, deren Modernebeschreibungen zudem in unterschiedlicher Intensität durch Rückbezüge auf die Anfänge der Romantik geprägt sind. Neben Nassehi sind hier Hartmut Rosa und Andreas Reckwitz zu nennen. Ihre Gegenwartsdiagnosen, die jeweils mit mehr oder weniger normativ aufgeladenen Therapievorschlägen verbunden sind, nehmen auch schon von Schleiermacher thematisierte Problemlagen in den Blick. Über sie lässt sich ein Brückenschlag zur Gegenwart der Moderne vollziehen.
Monografien
- „Selbstsein und Anerkennung. Theologisch-philosophische Erkundungsgänge im Spannungsfeld von Ich, Wir und Gott“ (zugleich Diss. MLU Halle 2022), DoMo 39, Tübingen 2022.
- r2017. Dokumentation der Projekte des Vereins Reformationsjubiläum 2017, Berlin 2018.
Herausgeberschaften
- Traugott Koch, Freiheit in Gemeinsamkeit. Beiträge zu einer gegenwärtigen Theologie, DoMo 36, hg. v. K. Tetzlaff, Tübingen 2021.
- Falk Wagner, Geld oder Gott. Zur Geldbestimmtheit der kulturellen und religiö-sen Lebenswelt, n. hg. u. eingel. v. T. Scheiwiller / K. Tetzlaff, Göttingen 2019.
- Geistesprotokolle – Notizen aus der Waffenkammer. Eine Festgabe für Regine Huppenbauer-Krause, hg. v. F. Herzig / K. Tetzlaff, Schulpforte 2016.
Aufsätze
- „Wider die Verwilderung politischer Begriffe, oder: Theologische Ethik im ‚Deut-schen Herbst‘. Ein unveröffentlichtes Vorlesungsmanuskript Traugott Kochs vom 20.10.1977 (erscheint in: ZNThG).
- „Religion zwischen Muße und Arbeitsamkeit. Friedrich Schleiermachers Beitrag zur Lösung eines Grundkonflikts modernen Lebens“, in: Kommunikation in Philosophie, Religion und Gesellschaft. Internationaler Schleiermacher-Kongress Pa-ris 2020, hg. v. Ch. Berner u.a. (erscheint 2023 bei de Gruyter Berlin).
- „‚Schweben zwischen Extremen‘. Momente romantischer Religion bei Wolfgang Herrndorf“ (erscheint in: ZZ 8 /2023).
- „Im Sehnsuchtsbereich der Literatur. Sprachen der Erlösung bei Wilhelm Genazino“ (erscheint in: WzM 75,5 (2023).
- „‚Eines Menschen Fall als Fall der Menschheit‘. Zum theologischen Subtext in Benjamin von Stuckrad-Barres Roman ‚Noch wach?‘, in: https://zeitzeichen.net/node/10448 [26.04.2023].
- „Gott im Selfie. Systematisch-theologische Gegenwartserkundungen im Span-nungsfeld von Verkündigung und (digitaler) Selbstdarstellung“, in: NZSTh 65, 1 (2023).
- „‚Engelartig herabfallende Blätter‘. Trost und Transzendenz im Werk von Wilhelm Genazino, in: Zeitzeichen 4 (2023), 48–50.
- „‚Du fehlst‘. Was der Musiker und Pop-Poet Herbert Grönemeyer über Tod, Liebe und ewiges Leben zu sagen hat“, in: Unsere Kirche 47/2022, 3. (Parallel veröffentlicht in: Evangelische Sonntagszeitung 47/2022, 3; Evangelische Zeitung 47/2022, 3 [Regionalausgaben für Hamburg, Niedersachsen, Schleswig Holstein]; Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung 47/2022, 3; Glaube und Heimat 47/2022, 13 unter dem Titel „Vertonter Verlust“; Der Sonntag 1/2023 unter dem Titel „Verlieren, Vertrauen, Lieben“).
- „‚Seht, der Mensch! Religiöse Spuren im Werk von Annie Ernaux“, in: ZZ 23,12 (2022), online abrufbar unter: https://www.zeitzeichen.net/node/10039.
- „‚Du fehlst‘ Ein theologischer (Rück-)Blick auf Herbert Grönemeyers Album ‚Mensch‘“, in: ZZ 23, 8 (2022), 43–45.
- „Schuld ist die Identitätspolitik?! Gedanken zu einer deutungsmächtigen These in theologisch-philsophischer Perspektive“, in: Deutungsmacht in Krisenzeiten, hg. v. R. Leonhardt, Leipzig 2022, 77–101.
- „Wahrheitsmomente auf beiden Seiten. Eine weitere Antwort auf Rochus Leonhardts Kritik an der angeblichen kirchlichen ‚Impffrömmigkeit‘“, in: https://www.zeitzeichen.net /node/9598, veröffentlicht am 24.02.2022.
- „Einseitigkeiten helfen nicht weiter. Beim Impfthema geht es um einen reflektierten Freiheitsgebrauch“, in: https://zeitzeichen.net/node/9549, veröffentlicht am 21.02.2022.
- „Von der Erlösung her“. Vor siebzig Jahren erschien Theodor W. Adornos Minima Moralia. Eine vorweihnachtliche Erinnerung, in: https://www.zeitzeichen.net/node/9436, veröffentlich am 08.12.2021.
- „Erlösung vom Kapitalismus? Theologische Ökonomiekritik in anerkennungs-theoretischer Perspektive“, in: Gott gebe Wachstum. Historische und systemati-sche Studien zur protestantischen Wirtschaftsethik nach Max Weber, hg. v. C. Plaul u.a., Berlin 2021.
- „Traugott Koch: Zur Einführung“, in: Traugott Koch, Freiheit in Gemeinsam-keit. Beiträge zu einer gegenwärtigen Theologie, hg. v. K. Tetzlaff, Tübingen 2021, 1-33.
- „Minderheiten in der Kirche. Schleiermachers ‚Princip der Oeffentlichkeit‘ als Plädoyer für eine christliche Gesprächskultur“, in: Der reformierte Schleiermacher. Prägungen und Potentiale seiner Theologie, hg. v. C. Plaul u.a., Berlin / Boston 2019.
- zus. m. Thomas Schweiwiller, „Einleitung der Herausgeber“, in: Falk Wagner, Geld oder Gott. Zur Geldbestimmtheit der kulturellen und religiösen Lebenswelt, n. hg. u. eingel. v. T. Scheiwiller / K. Tetzlaff, Göttingen 2019, 7–44.
- „Frei aus göttlichem Grund? Falk Wagners kritische Relektüre der Rechtfertigungslehre Luthers“, in: Verstandenes verstehen. Luther- und Reformationsdeu-tungen in Vergangenheit und Gegenwart, im Auftrag der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) hg.v. N. Slenczka u.a., Leipzig 2018, 133–160.
- „Gott in gottloser Gesellschaft. Eine soziale Verortung des Christentums im An-schluss an Falk Wagner“, in: Geistesprotokolle – Notizen aus der Waffenkammer. Eine Festgabe für Regine Huppenbauer-Krause, hg. v. F. Herzig / K. Tetzlaff, Schul-pforte 2016, 121–140.
Rezensionen
- M. V. Galfione / A. Knopf (Hg.), Abschied vom Individuum? Romantische Konzeptionen von Individualität und ihre Kritik, Paderborn 2023, auf: https://www.gestern-romantik-heute.uni-jena.de/wissenschaft/publikationen/abschied-vom-individuum
- K. Huizing, Lebenslehre. Eine Theologie für das 21. Jahrhundert, Gütersloh 2022, in: ThZ 1/2023.
- K.-M. Kodalle, 1933 - die Versuchung der Theologie, Berlin 2022, in: ThLZ 148,1 (2023)
- C. Plaul / M. Schröter / C. Senkel (Hg.), Phänomen Fundamentalismus. Vom Reiz des Einfachen in Religion, Politik und Wissen, Halle 2022, in: ZZ 23,9 (2022), 63.
- S. Matuschek, Der gedichtete Himmel. Eine Geschichte der Romantik, München 2021, in: ThLZ 147,10 (2022), 974–976.
- U. Gerber / L. (Hg.), Anerkennung. Personal - Sozial - Transsozial, Leipzig 2021, in: ThZ 1 / 2022, 371–374.