Kollegiat:innen 2. Kohorte
Annemarie Müller, M.A.
Curriculum Vitae
2011 - 2014 Bachelor of Arts im Fach Volkskunde/Kulturgeschichte (KF), Erziehungswissenschaft (EF) und Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena
2014 - 2016 Master of Arts im Fach Volkskunde/Kulturgeschichte, Friedrich-Schiller-Universität Jena
2015 - 2016 Wissenschaftliche Hilfskraft im Projekt „Bildungslandschaft und Wissenskultur. Sammlungsbezogene Forschung zur frühneuzeitlichen Bildungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg (1640-1732) “, Forschungsbibliothek Gotha/Universität Erfurt
2017 Wissenschaftliche Hilfskraft im Projekt „Automatische Handschriftenerkennung. Edition der Briefe Erdmuthe Benignas von Reuß-Ebersdorf“, Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte, Friedrich-Schiller-Universität Jena
2017 - 2018 Wissenschaftliche Hilfskraft im Projekt „eeFDM. Aufbau und Erprobung von Bausteinen für ein effektives und effizientes Forschungsdatenmanagement“, Kontaktstelle Forschungsdatenmanagement, Friedrich-Schiller-Universität Jena
2018 Wissenschaftliche Hilfskraft im Projekt „Editionsportal Thüringen. Die Edition Ära Paul 1945 – 1947“, Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte, Friedrich-Schiller-Universität Jena
seit Oktober 2018 Kollegiatin am Graduiertenkolleg „Modell Romantik“
Dissertationsprojekt
„Im Schlaraffenreych des Geistes“. Romantische Geselligkeit im Männerbund Schlaraffia (1859-1909)
„Allschlaraffia heißt jene innige Gemeinschaft gleichgesinnter Männer, deren Zweck die Pflege von Humor und Kunst nach bestimmten Formen und unter gewissenhafter Beachtung eines gebotenen Ceremonials, und deren Grundprinzip die Hochhaltung der Freundschaft ist.“
Diese Beschreibung findet sich 1883 in der Satzung des Männerbunds und Geselligkeitsvereins Schlaraffia, der 1859 im Umfeld des Prager Ständetheaters gegründet wird. Dreiundzwanzig Mitglieder aus dem bildungsbürgerlichen Milieu – Theaterleute und Künstler, später auch Kaufmänner und Beamte – bildeten über ihren zunächst regelmäßig stattfindenden Stammtisch einen satirisch-persiflierenden Verein, in dessen Zentrum die Pflege des sogenannten „Ritterspiels“ steht.
Aus der berufsbedingten Mobilität der Akteure ergab sich ab 1865 eine Verbreitung der Vereinsidee: innerhalb von drei Jahrzehnten entstand ein transnationales Netzwerk mit mehreren tausend Mitgliedern – bis 1909 zunächst in Europa und Nordamerika. Niederlassungen auf weiteren Kontinenten folgten.
Das geschlechterhistorische Dissertationsprojekt möchte im Kern der Frage nachgehen, wie sich romantische Bezüge und Wirkungsverhältnisse innerhalb eines sich transnational ausbreitenden Vereinsraums entfalten und welche handlungsleitende Wirkung diese für die Mitglieder entwickeln. Als zentrale Elemente romantischer Denk- und Handlungsräume werden v.a. der Geselligkeits- und Spielebegriff beschrieben. Sie führen zu weiteren Fragen: in welchem Verhältnis steht im Verein Schlaraffia die romantische Ironie zu einer sinnstiftenden Ganzheitsperspektive? Aber auch, wie und mit welchen Mitteln gelingt es den Mitgliedern, einen spezifischen Geselligkeits- und Spielebegriff zu etablieren und aufrechtzuerhalten?
Die Forschungsfragen sollen methodisch umgesetzt werden durch die Erprobung des Modellansatzes, wie ihn das Graduiertenkolleg „Modell Romantik“ erarbeitet(e). Als Hauptquelle dient das ab 1874 erscheinende vereinsinterne Kommunikationsmedium ‚Schlaraffen-Zeitung‘.
Als Beitrag zu einer transnationalen Bürgertums- und Romantikforschung soll mittels eines quellenkritischen, medienhistorischen Zugriffs der Geselligkeitsbegriff bürgerlicher Kultur näher bestimmt werden. Denn inhaltlich verweist das mittelalterlich-imaginierte „Ritterspiel“ der Schlaraffen mit seinem selbstaktiven, kunstautonomen Anspruch und seiner performativen „Poetisierung des Lebens“ (Novalis) auf romantische Ursprungssysteme am Beginn des 19. Jahrhunderts. Mit Stilmitteln der Satire und Komik, dem Aufgreifen märchenhaft-mythischer Topoi, dem Motiv der ‚Kindheit‘ und einem explizit genutzten Spielebegriff, der eine Pendel- und Kippbewegung zwischen „Sinn im Unsinn“ und „Daseinsernst“ sichtbar macht, können weitere Elemente eines als romantisch gedeuteten Merkmalsbündels beschrieben werden. Daneben sollen auch die ästhetischen Kategorien ‚Dilettantismus‘ und ‚Virtuosität‘ als Teil romantischer Denk- und Handlungswelten gedeutet werden, die im bürgerlichen Kontext sowohl aktualisiert als auch transformiert werden.
Publikationen
Aufsätze
- Freundschaft auf Distanz. Kommunikation zwischen räumlich Getrennten, in: Thieme, Teresa (Hrsg.): Freundschaft! Mythos und Realität im Alltag der DDR (= Dokumentation der Städtischen Museen Jena, Bd. 28), Jena, 2015, S. 99-110
- Von Traktoristinnen und Kulturschaffenden. Politische Selbstdarstellung auf Postwertzeichen anlässlich der DDR-Republikgeburtstage 1959 und 1964, in: Smolarski, René / Smolarski, Pierre / Vetter-Schultheiß, Silke (Hrsg.): Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle (= Post – Wert – Zeichen, Bd. 1), Göttingen, 2018, S. 485-510
Kleinere Beiträge
- Tagungsbericht zum Fachtag Digital Humanities in Thüringen: Daten vernetzen, Ressourcen verknüpfen. Neue Herausforderungen für den digitalen Wandel (nicht nur) in Thüringen, Forschungsbibliothek Gotha/Universität Erfurt, 09. August 2018, in: H-Soz-Kult, 15.12.2018
- (Zus. mit Theresa Brehm, Maria Safenreiter und Felix Schallenberg): „Aber wir kommen ja nicht raus aus der deutschen Romantik, da kann man machen, was man will“ (Christian Petzold). Im Gespräch über den Film „Undine", in: Gestern I Romantik I Heute. Forum für Wissenschaft und Kultur, 14. Juli 2020, Jena.
Vorträge
- Von Passagierflugzeugen, Traktoristinnen und Kernreaktoren. Politische Selbstdarstellung auf Postwertzeichen am Beispiel der Jahrestage der DDR 1959 und 1964 [Tagung: Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Universität Erfurt, 14. Oktober 2017]
- Von Rittern und Verlobungsanzeigen. „Der Schlaraffia Zeyttungen“ als Kommunikationsmedium des transnationalen Männerbundes Schlaraffia [Workshop und Jahrestreffen des Arbeitskreises Historische Frauen- und Geschlechterforschung e.V., Region Mitte: Neue Forschungen zur Frauen- und Geschlechtergeschichte, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 01. Dezember 2017]