Kollegiat:innen 1. Kohorte
Dr. Marc Emmerich
Curriculum Vitae
2005 - 2010 Bachelorstudium der Fächer Philosophie und Indogermanistik an der FSU Jena
2010 - 2013 Masterstudium „Gesellschaftstheorie“ an der FSU Jena
Oktober 2015 - September 2018 Kollegiat des Graduiertenkollegs „Modell Romantik“
Dissertationsprojekt (abgeschlossen)
Politik der literarischen Romantik – Unvernehmen, Urteilskraft und selbstbestimmte Produktivität
Die zentrale Frage der Arbeit ist, wie die Entstehung der modernen Demokratie mit den Revolutionen des ausgehenden 18. Jahrhunderts in die Konzeption romantischer Ästhetik eingeht. Insbesondere interessiert, wie die romantische Ästhetik das offen gebliebene Emanzipationsversprechen der Aufklärung über den Weg der Kunst auch im gesellschaftlichen Zusammenleben einzulösen versucht. Nicht ohne Grund zählt Friedrich Schlegel die Revolution zu einer der drei größten Tendenzen seines Zeitalters und unbestreitbar ist der Einfluss von Schillers Briefen „Über die ästhetische Erziehungˮ auf das Pathos, mit dem die Brüder Schlegel, aber auch Schelling die moderne Kunst mit einem gesellschaftspolitischen Auftrag ausstattet: Die moderne Kunst, selbst zwar Ausdruck der Spaltungen und Fragmentierungen moderner Gesellschaften, verspricht gleichzeitig die Möglichkeit einer Versöhnung.
Während es einerseits problematisch ist, Reflexionen über Kunst unmittelbar als Politiken zu lesen, gerade wenn und weil diese Reflexionen nicht Politik, sondern Kunst zum Thema haben, so laufen andererseits sekundäre Bestimmungen der politischen Romantik Gefahr, Ideen und Begriffe mit Romantik zu vermengen, die nicht der Romantik selbst, sondern den jeweiligen Anwendungskontexten entnommen sind. Entsprechend vielfältig und widersprüchlich sind die Bestimmungen politischer Romantiken, die nicht selten auch Ausdruck zeitgenössischer Interessen und Positionierungen sind. Der am Graduiertenkolleg verfolgte modelltheoretisch inspirierte Ansatz erlaubt es, diese Trennung von Romantik als Ästhetik und ihrer sekundären Anwendung auf Politik sichtbar und kritisierbar zu machen: Einzelne Bestimmungen von politischer Romantik können als Modelle begriffen werden, die romantische Ideen auf politische Fragestellungen projizieren und damit als jeweils eigene Verknüpfungsleistungen von Romantik und Politik sichtbar machen.
Die Dissertation kommt insgesamt zu dem Schluss, dass die Politik der Frühromantik im Sinne eines „Stoffwechsels mit dem Mythosˮ zu verstehen ist. Der Fokus liegt auf der Ermächtigung romantischer Subjekte durch eine eigene poetische Praxis – als Kunstproduzent*innen oder als -kritiker*innen – das sinnliche Selbstverständnis einer Gesellschaft aufzuarbeiten, zu verinnerlichen und durch eigene Ideen anreichern zu können. Der Kern einer primären Politik der Romantik bestünde dann darin, die Möglichkeit dieser (ästhetischen) Arbeit an und mit den Mythen einer Gesellschaft immer wieder neu performativ einzufordern, auch und besonders über die Grenzen einer reinen Kunst hinaus, etwa auf den Gebieten von Konsum, Alltagskultur und Mode.
Publikationen
Aufsätze
- „Der Streit um die Einbildungskraft. Spuren des Politischen in E.T.A. Hoffmanns Fräulein von Scuderi“, in: Aida Bosch/Hermann Pfütze (Hg.): Ästhetischer Widerstand gegen Zerstörung und Selbstzerstörung, Wiesbaden 2017, S. 221-230.
- „The Creative Force of Discourse and the Appearance of Politics: Reading Charles Taylor with the Political Theory of Jacques Rancière“, in: Dialogue, Canadian Philosophical Review, Volume 56, Issue 4, Dezember 2017, S. 705-715.
- „Das Unvernehmen in Romantik und Surrealismus“, in: Sebastian Lübcke, Johann Thun (Hg.): Romantik und Surrealismus. Eine Wahlverwandtschaft?, Berlin et. al. 2018, S. 167-182.
Kleinere Beiträge
- (Zs. mit Mirjam Sauer/Hendrick Heimböckel): Tagungsbericht: Funktionen der Einbildungskraft um 1800, Jena, 01.03.2018-02.03.2018, in: H-Soz-Kult, 18.06.2018
Vorträge
- Das Unvernehmen in der Literatur von der Romantik zum Surrealismus [CIERA – Interdisziplinäres Zentrum für Deutschlandstudien und -forschung: Romantisme et Surréalisme. Eine Wahlverwandtschaft?/ Une affinité elective?, Université Lyon II, 18.-19. März 2016]