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Montag, 13. Februar 2023 | Christin Neubauer

Romantik in der Praxis I: Auf druckgraphischen Spuren der Romantik

Zum Curriculum des Kollegs gehört ein dreimonatiges Praktikum in einer der mit dem Kolleg kooperierenden Institutionen. In dieser Blog-Reihe berichten die Kollegiatinnen und Kollegiaten von ihren Ausflügen in die Praxis.

Im Oktober 2022 tauschte ich den Universitätsalltag für einen Ausflug in die kunsthistorische Praxis ein. Für drei Monate begab ich mich in den Bereich des Kunsthandels, um Einblick in die Welt der Kunstgeschichte außerhalb des akademischen Umfelds zu erhalten. Es verschlug mich nach Frankfurt am Main, Sitz der Kunsthandlung H. W. Fichter, die sich auf die Aufarbeitung und den Handel von Zeichnungen, Druckgraphiken und Ölgemälden der deutschen Romantik spezialisiert hat. Die Kunsthandlung wurde 1984 in Frankfurt gegründet und wird seit 2000 von Dr. Aurelio Fichter geleitet.

Hinter der kunstvollen Fassade des eindrucksvollen Gründerzeitbaus im Frankfurter Westend befinden sich die Galerie sowie der Salon der Kunsthandlung. Diese Räumlichkeiten repräsentieren den Sammlungsschwerpunkt und beinhalten neben Gemälden und Graphiken des 19. Jahrhunderts auch Skulpturen sowie historisches Mobiliar, was den privaten Sammlungscharakter hervorhebt. An den Wänden hängen repräsentative Gemälde von Moritz Retzsch, Carl Wilhelm Oesterley, Gustav Heinrich Naecke sowie Gottfried Pulian und auch die Bibliothek spiegelt mit zahlreichen Monographien und Ausstellungskatalogen den Romantikschwerpunkt wider. Besucher:innen können sich nach vorheriger Anmeldung die aktuellen Ausstellungen vor Ort ansehen, von denen einige auch in einem Galerierundgang auf der Website präsentiert werden.

Viele Stücke der Sammlung sowie aus Kommission stammende Werke sind seit einigen Jahren auch für den digitalen Vertrieb aufgearbeitet worden. Die Kunsthandlung H. W. Fichter hat das Geschäftsfeld bereits vor der Covid-19-Pandemie auf den Onlinevertrieb ausgeweitet, bedient seit 2020 jedoch verstärkt digitale Kanäle. Durch Online-Auktionen über eBay und invaluable sowie die Erschließung neuer Vertriebswege über die Plattform instagram weitete sich der Kundenkreis auf internationale Ebene aus. So konnten neben deutschen Museen wie der Staatlichen Graphischen Sammlung München oder dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle auch internationale Institutionen wie die Fondation Custodia in Paris oder das Metropolitan Museum in New York gewonnen werden.

In der Sammlung befindet sich auch ein umfangreicher Bestand an deutschen Graphikmappen, der seltene und bekannte Stücke wie die Illustrationen zu Goethes Faust von Peter von Cornelius und die Darstellungen aus Dantes Hölle von Joseph Anton Koch beinhaltet. Im Rahmen meines Praktikums konnte ich eigenständig ausgewählte Mappenwerke für ein Ausstellungs- und Verkaufsprojekt aufbereiten. Dabei erhielt ich Einblicke in die Sichtung und Erfassung der Objekte bis hin zur ersten Bewertung. Mittels photographischer Aufnahmen und anschließender Bildbearbeitung konnte ich für jede Mappe ein digitales Faksimile erstellen, das es Interessent:innen ermöglichen wird, alle Blätter im Onlinekatalog einzusehen. Bis ein Katalogprojekt jedoch zur Veröffentlichung bereitsteht, sind zahlreiche Schritte zu beachten. Neben der Erfassung sowie optischen und inhaltlichen Aufbereitung der Objekte gilt es darüber hinaus festzulegen, welche Werke vorab restauratorischen Maßnahmen unterzogen werden müssen. Darüber hinaus arbeitet die Kunsthandlung H. W. Fichter in der Erstellung der Katalogtexte regelmäßig mit Kunsthistoriker:innen zusammen, um die Objekte bestmöglich thematisch und wissenschaftlich einzubetten. Da graphische Mappenwerke des 19. Jahrhunderts als Phänomen noch immer ein Desiderat in der Forschung bilden, ist es notwendig, den Werken in einem einleitenden Aufsatz Genese und Funktion von Graphikmappen voranzustellen. Für dieses Anliegen oblag es mir, eine:n Wissenschaftler:in mit einschlägigen Kenntnissen für das Projekt zu gewinnen. Zu den jeweiligen Mappenwerken gilt es, im weiteren Prozess Begleittexte zu verfassen, um die Objekte zu beschreiben und in einen kunsthistorischen Kontext einzubetten. Erst dann kann die Arbeit im hauseigenen Verlag Edition Fichter hinsichtlich Layouts und Satz des Katalogs vorgenommen werden. Neben hausinternen Ausstellungskatalogen werden bei Edition Fichter auch kunstwissenschaftliche Arbeiten zur deutschen Romantik und darüber hinaus publiziert.

Im Kunsthandel birgt jeder Tag neue Anforderungen und so war ich neben der Erschließung der Graphikmappen auch im Alltagsgeschäft eingebunden. Generell habe ich den Eindruck gewonnen, dass der Kunsthandel durch seine vielschichtigen Aufgaben ein abwechslungsreiches Tätigkeitsfeld bietet: Akquise, Verhandlungen, Besuche bei Restaurator:innen, Recherche, ausgiebiges Stöbern in Auktionskatalogen, Kundengespräche, Ausstellungsvorbereitung und Auktionsbesichtigungen. Den dreimonatigen Ausflug in die kunsthistorische Praxis empfand ich als außerordentliche Bereicherung. Durch die täglichen Eingaben neuerworbener oder noch nicht inventarisierter Stücke konnte ich nicht nur mein Bildergedächtnis, sondern auch meine Beobachtungsgabe hinsichtlich der Unterscheidung verschiedener druckgraphischer Methoden schulen.

Blick in die Bibliothek der Kunsthandlung H.W. Fichter.

Blick in die Gemäldegalerie (I)

Blick in die Räume der Kunsthandlung.

Blick in die Gemäldegalerie (2)