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Drei Fragen an: Dr. Karl Tetzlaff
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1. Was verbinden Sie ganz allgemein mit ‚Romantik‘?
Beim Stichwort ‚Romantik‘ denke ich gern an Novalis‘ Rede vom „Glauben an die Allfähigkeit alles Irdischen, Wein und Brot des ewigen Lebens zu sein“, an Friedrich Schleiermachers Einsicht, „daß jeder Mensch auf eigne Art die Menschheit darstellen soll“ und an einen Vers aus Herbert Grönemeyers Liedern: „Kein Wort beschreibt die sehnende Sucht“.
2. Womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrem aktuellen Forschungsvorhaben? Wie setzen Sie sich in Ihrem Forschungsprojekt mit dem Phänomen ‚Romantik‘ auseinander?
In meinem aktuellen Forschungsvorhaben befasse ich mich im Rahmen eines umfassenderen DFG-Projekts mit Friedrich Schleiermachers Vorlesungen zur theologischen Ethik, die unter dem Titel Die christliche Sitte. Nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt postum veröffentlicht wurden. Sie liegen in Form von Manuskripten und vor allem von Nachschriften aus unterschiedlichen Jahrgängen (1809–1831) vor, die im Rahmen des besagten DFG-Projekts nun erstmals vollständig ediert werden. Meine diese Editionsarbeit flankierende Aufgabe besteht in der Kontextualisierung von Schleiermachers Vorlesungen und im Herausarbeiten ihrer Aktualitätspotenziale. Ich lese sie als einen Versuch, konstruktive theologische Antworten auf Herausforderungen zu finden, die mit der um 1800 intensivierten Modernisierung des gesellschaftlichen Lebens aufgekommen und bis heute unbewältigt sind. Aus meiner Sicht schreibt Schleiermacher dabei viele Gedanken fort, die sich im Zusammenhang des frühromantischen Symphilosophierens gebildet haben. Insofern hat meine Arbeit auch das unmittelbare Fortwirken von Impulsen der Berlin-Jenaer Frühromantik und deren Gegenwartsrelevanz zum Thema.
3. Im Graduiertenkolleg „Modell Romantik“ wird davon ausgegangen, dass die Romantik modellbildende Qualitäten aufweist. Können Sie etwas damit anfangen?
Vom Leipziger Maler Michael Triegel stammt die Aussage, er „teile die Sehnsucht der Romantiker, die sich nach der Aufklärung mit dem leergefegten Himmel nicht abfinden wollten“. Wer mit einigermaßen wachen Augen und offenen Ohren unsere Gegenwartskultur durchstreift, wird immer wieder auf Ausdrucksformen dieser Sehnsucht treffen und auf Fortbildungen jener (früh-)romantischen Versuche, auch unter aufgeklärten Bedingungen an ihr festzuhalten. Dieser Aktualitätsbezug macht für mich den besonderen Reiz einer Beschäftigung mit dem Phänomen ‚Romantik‘ aus und darin liegt zugleich der hohe Attraktivitätswert der am Jenaer Graduiertenkolleg entwickelten Heuristik.