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Alltag anders bei Marc Emmerich
Corona hat meine Arbeit mehr irritiert als erwartet. Sicher: ein Rückzug in die Stille der eigenen Wohnung und Ruhe vor sozialen Verpflichtungen müssten doch gerade dabei helfen, längst überfällige Projekte endlich abzuschließen. Deshalb hatte ich, was meinen Alltag betrifft, trotz aller Ungewissheit doch einen Plan, den ich einfach abzuarbeiten hoffte. Das Gegenteil war der Fall. Anstatt Corona Corona sein zu lassen machte ich mir Sorgen. Und weil es lange Zeit bei Corona keine Fortschritte gab, trat ich nun auch innerlich auf der Stelle. Auf dem Höhepunkt meiner Schreibblockade habe ich eine Zitrone eingepflanzt.
Heute könnte ich dazu sicherlich eine Geschichte spinnen, nach der die lange Beschäftigung mit Romantiker*innen eben doch irgendwann dazu führt, sich wie Chateaubriand um seine Bäume wie um Kinder zu kümmern, Rousseaus Spaziergang in die Botanik zu folgen oder sich mit Borchardt Gartenphantasien hinzugeben. Das ist aber Quatsch. Mir ging es einfach nur darum, dem Gefühl des allgemeinen Stillstandes die Erfahrung von etwas entgegenzusetzen, das wächst und das mich durch die Erinnerung an Sorrento wenigstens ein bisschen aus der Enge meiner Wohnung befreit.
Weil ich nicht weiß, wie eine Pflanze wachsen muss, nehme ich jede kleinste Veränderung mit Staunen wahr. In der japanischen Kultur symbolisiert der Bonsai die harmonische Beziehung von Mensch, Natur und Kosmos. Sie sind Produkte eines bisweilen rabiaten, nicht immer einfachen, schließlich aber doch erfolgreichen Verhandelns zwischen den eigenen Ansprüchen an das Leben und dem, was die Natur dazugibt. Das zu sehen motiviert.
Von einem Bonsai sind meine Zitronen sicherlich noch weit entfernt. Aber das macht auch nichts. Sie sind schon jetzt ein Kontrapunkt zur Krise: Ich schreibe wieder!