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Donnerstag, 4. Juni 2020 | Alltag anders bei Jacob Schmidt

Alltag anders bei Jacob Schmidt

Unter dem Titel „Alltag anders“ versammeln wir Selfies und Statements von Kollegmitgliedern, die sich mit den Fragen beschäftigen: Was machen Sie derzeit, was Sie sonst nicht tun? Hat sich Ihre Wahrnehmung durch die gegenwärtige Situation verändert? Worüber denken Sie plötzlich nach? Was wünschen Sie sich für morgen, in einem Monat, in einem Jahr?

An meinem ersten Arbeitstag bei Bündnis 90/Die Grünen im
Brandenburger Landtag wurde der erste Corona-Fall in Berlin bekannt.
Kurze Zeit später auch der erste in Brandenburg.
Nach zwei Wochen wurden fast alle ins Home Office geschickt. Ich nicht.
Ich hielt mit zwei anderen die Stellung. Die Flure leerten sich, die Straßen auch.
Die Welt wurde seltsam still, leise und kam zur Ruhe.
Doch ich bewegte mich mehr, dachte mehr, machte mit jedem Tag mehr.
Neues Feld, neue Stadt, neue Menschen, neue Themen. Alles neu.
Während mein Leben zuvor ein wenig zum Erliegen gekommen war,
blühte es gerade jetzt erneut auf.
Wir fuhren mit dem Sprinter über eine leere Autobahn,
aus einer Stadt in Quarantäne ins neue Leben.
Ein Freund half, nicht ganz legal wohl, beim Ausräumen,
eBay Kleinanzeigen eröffnete uns kurze und kleine Einblicke in isolierte Orte.
Zwischen Arbeit und Privatem fehlte aber eines:
das unbeschwerte Öffentliche, Zeiten und Orte dazwischen,
der Besuch im Café, das Treiben auf der Straße.
Ein Epochenereignis definiert sich vielleicht nicht darüber,
dass alle dasselbe erzählen, sondern eher darüber,
dass alle genau wissen, was sie zu dieser Zeit gemacht,
gedacht und gefühlt haben.
Für mich bleibt eine paradoxe Stimmung, die mich, wenn auch umgekehrt,
an die Erfahrung von Langeweile und Arbeitslosigkeit erinnert:
Während zuvor die Welt raste, stand die Meinige still;
während die Welt zur Ruhe kam, fing meine an zu rasen.
Gegenüber sollte eigentlich schon längst ein neues Haus stehen.
Bisher steht da aber nur ein Kran.
Und so genießen wir noch ein wenig
den Blick auf die Bäume.